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Er wollte immer, sie zunehmend weniger - wenn unterschiedliches Verlangen nach Sex zum Problem wird

  • Autorenbild: Nicole Neumüller
    Nicole Neumüller
  • 17. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Juni


Unterschiedliches sexuelles Verlangen ist eines der häufigsten Themen in der Paartherapie. Und doch fühlen sich viele Paare damit allein. In diesem Beitrag möchten ich von einem Paar berichten– natürlich anonymisiert –, das genau damit zu mir kam: Er hatte deutlich mehr Lust auf Sex als sie. Was zunächst wie ein „klassisches“ Missverhältnis schien, entpuppte sich als eine tiefere Dynamik, die viel mit Nähe, Kommunikation und gegenseitigem Verständnis zu tun hatte.

 

Das erste Gespräch: Wer ist hier eigentlich das Problem?

 

Laura und Martin (Namen geändert) waren seit sieben Jahren ein Paar. Ihre Beziehung war grundsätzlich liebevoll, sie lachten viel, hatten gemeinsame Ziele – aber beim Thema Sex waren sie regelmäßig im Streit.

 

Martin wünschte sich mehr körperliche Nähe, öfter Sex, mehr Leidenschaft. Laura hingegen fühlte sich oft überfordert. „Ich habe keine Lust, wenn er mich dauernd bedrängt“, sagte sie. Martin dagegen fühlte sich zurückgewiesen: „Ich habe das Gefühl, sie begehrt mich gar nicht mehr.“

 

Was auffiel: Beide litten. Laura fühlte sich unter Druck gesetzt, Martin fühlte sich ungeliebt. Keiner von beiden war “schuld”, aber beide waren in einem emotionalen Kreislauf gefangen.

 

Der erste Schritt: Die Dynamik verstehen

 

In den ersten Sitzungen arbeiteten wir daran, nicht nur das „Symptom“ – also die unterschiedliche Lust – zu sehen, sondern die dahinterliegenden Bedürfnisse und Gefühle.

 

  • Martin sehnte sich nach körperlicher Nähe, aber auch nach Bestätigung und emotionaler Verbindung. Für ihn war Sex ein wichtiger Ausdruck von Liebe und Intimität.

  • Laura erlebte Sexualität zunehmend als Erwartung. Nach einem langen Arbeitstag mit viel mentaler Belastung empfand sie körperliche Nähe oft nicht als entspannend, sondern als anstrengend. Außerdem fühlte sie sich mit Martins häufigem Rückzug bei einem „Nein“ bestraft und unter Druck gesetzt – was ihre Lust weiter hemmte.

 

Neue Wege: Druck raus, Nähe rein

 

Wir begannen mit kleinen, konkreten Veränderungen:

 

  1. Lust neu definieren


    Laura lernte, dass Lust nicht immer spontan entstehen muss – manchmal kommt sie erst durch Nähe oder Berührung. Es half ihr, sich selbst besser zu spüren, statt direkt in die Rolle der “Verweigernden” zu rutschen. Gleichzeitig lernte Martin, seine Wünsche klar zu äußern, ohne zu drängen.


  2. Nähe ohne Erwartung


    Einfache, alltägliche Rituale wie kuscheln ohne sexuelle Absicht, kleine Berührungen oder gemeinsames Einschlafen halfen dem Paar, wieder emotionale Intimität zu spüren – ohne dass sie sofort in eine sexuelle Handlung münden musste.


  3. Offene Kommunikation


    Wir übten wertschätzende Gespräche über Sexualität: Wann fühlt sich Laura bereit? Was braucht Martin, um sich verbunden zu fühlen? Welche Berührungen tun gut? Welche nicht?

 

Der Wendepunkt: Gemeinsames Verständnis statt Recht-haben

 

Nach einigen Wochen berichtete Laura, dass sie wieder häufiger Lust verspürte – vor allem, weil sie sich nicht mehr unter Druck gesetzt fühlte. Martin wiederum merkte, dass es nicht nur um “mehr Sex” ging, sondern darum, sich gesehen und angenommen zu fühlen. Beide hörten auf, sich gegenseitig zu bewerten, und begannen, sich wieder zuzuwenden.

 

Fazit: Lust ist keine Zahl – sondern Beziehung

 

In einer Partnerschaft gibt es so gut wie nie eine „perfekte Balance“ beim sexuellen Verlangen. Der Schlüssel liegt darin, Unterschiede nicht als Problem zu sehen, sondern als Einladung zu echter Kommunikation und persönlicher Entwicklung. Laura und Martin haben genau das geschafft: Sie haben nicht nur mehr Lust, sondern vor allem mehr Verbindung zueinander gefunden.

 

Wenn Sie in Ihrer Beziehung ähnliche Spannungen erleben, lade ich Sie ein: Suchen Sie das Gespräch. Vielleicht nicht gleich mit professioneller Unterstützung – aber mit ehrlichem Interesse am anderen.


Bild: pexels by Pixabay

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